Ja, wir haben einen Wespensommer. Unsere einen Nachbarn kämpfen radikal und giftig dagegen an. Unsere anderen Nachbarn sagen einfach „derzeit kein Fußball im Vorgarten“ und lassen den Dingen ihren Lauf. Deshalb kann ich euch heute Spannendes über Wespen berichten – danke dafür, meine Lieblingsnachbarn! Wir hatten es mit der „Mittleren Wespe“ (Dolichovespula media) zu tun. Die Mittlere Wespe zählt nach den Hornissen zur drittgrößten heimischen Wespenart und ist gar nicht mehr so häufig.
Wespennest ist nicht gleich Wespennest
Das Nest, das unsere Jungs in die Fußballpause zwang, war in einen Rhododenron gebaut. Das hatte ich noch nie gesehen. Damit war die Sache aber gleichzeitig klar: Die einzige heimische Wespenart, die ihre Nester frei in Büschen oder Bäumen baut, ist die „Mittlere Wespe“. Diese gehört im Vergleich zu anderen Wespen zu den eher friedfertigen Wespenarten (es sei denn, man kommt ihrem Nest nahe…). Sie verfüttert vorwiegend Fliegen an ihre Jungen bzw. trinkt selbst Blütennektar, kommt also nicht mal uns Menschen als ungebetener Tischgast in die Quere. Die Wespen, die bei Tisch nerven, sind eher „Gemeine Wespen“ oder „Deutsche Wespen“ (warum nur haben alle Wespenarten derartig langweilige Namen?).
Da die Mittlere Wespe größer ist als die „normalen“ Arten und außerdem oft eine bräunlich-gelbe Färbung hat, wird sie auch „kleine Hornisse“ genannt, aber eigentlich ist sie mit Hornissen nicht zu verwechseln. Leider wusste ich noch nicht um diese Unterschiede als das Nest bewohnt war. Deshalb kann ich euch bedauerlicherweise keine Fotos liefern 🙁 Ich werde euch ans Ende noch einen Link schreiben, wo ihr die Tiere anschauen könnt. Doch erst einmal wollen wir gemeinsam über die architektonische Kunstfertigkeit dieser Wespen staunen:
Kunst am Bau: Die Mittlere Wespe
Ihr ahnt es bereits: Irgendetwas ist geschehen und das Nest ist jetzt leer. Warum und was passiert ist, bleibt rätselhaft, aber es gibt mir die Möglichkeit, mit euch noch im Hochsommer ein Wespennest genau anzusehen. Seht mal, wie kunstvoll ist das erdbeerförmige Nest in den Rhododendron hineingebaut ist: Blätter und Äste sind einfach in das Nest integriert, und sogar kurzerhand als Landeplattform vor die unten liegende Einflugöffnung eingearbeitet.
Nun wollen wir einen Blick hinein werfen. Bewaffnet mit einem Brotmesser machte ich mich gestern an die Arbeit, und das Ergebnis seht ihr hier:
Die äußere Hülle des Nests besteht aus mehreren Schichten. Diese Luft gefüllten Hohlräume der Außenhülle dienen der Isolierung des Nests. Das Baumaterial ist eine Art Pappmaché, das die Wespen aus abgeschmirgeltem Totholz und Speichel selbst herstellen.
Nachdem ich eine Scheibe von der Seite abgeschnitten hatte, öffnete sich die freie Sicht auf das Herz des Nests: die Brutwaben. Sie sind hier in 4 Etagen angeordnet, wobei die einzelnen Etagen jeweils durch einen Stiel miteinander verbunden sind. Zwischen Wabenturm und Außenhülle ist wiederum ein Hohlraum, damit die Wespen jeder Zeit alle Waben erreichen können.
Also ich kam mir fast wie ein Schatzsucher vor und bin von dieser architektonischen Meisterleistung ganz fasziniert. Geht es euch nicht auch so? Allerdings frage ich mich natürlich gleichzeitig, was wohl passiert sein könnte. Warum ist dieses Nest schon Anfang August verlassen?
Was geschah im Wespennest?
Ich habe gelesen, dass sich ein Volk von Mittleren Wespen schnell entwickelt, aber auch relativ früh wieder abstirbt. Da war allerdings die Rede von Anfang September. Tatsache ist, dass schon vor 3 Wochen, als ich die ersten Fotos vom Nest gemacht habe, verhältnismäßg wenig Verkehr an der Start- und Landebahn war (ich war erstaunt, dass ich so unbehelligt Fotos machen konnte). Ein Wespenvolk stirbt, wenn die Königin stirbt, also keine Eier mehr legen kann, aber wenn das Volk so weit angewachsen ist, wie das Nest erahnen lässt, verlässt die Königin es eigentlich nicht mehr. Also unwahrscheinlich.
Es gibt wohl auch parasitierende Wespenarten, welche in ein fremdes Nest eindringen, die Königin töten, eigene Eier in die Waben legen und diese dann von den fremden Arbeiterinnen pflegen lassen. Für die Mittlere Wespe ist das allerdings nicht bekannt.
Das einzige, was mir noch einfällt, wenn es kein natürlicher Tod des Volkes war, wäre ein Schädlings- oder Pilzbefall. Zwischen den einzelnen Wabenetagen habe ich nämlich feine Fäden entdeckt – möglicherweise ist das des Rätsels Lösung? Vielleicht ist aber auch nur eine Spinne als Nachmieter eingezogen. Ich fürchte, es wird ein Rätsel bleiben. Oder hat jemand von euch noch eine Idee?
Auch noch interessant:
Letztes Jahr hatte ich doch dieses unglaubliche Fotoshooting mit der Hornissenkönigin – erinnert ihr euch?
Auf dieser Website findet ihr Fotos von der Mittleren Wespe.
Hallo Helene,
Ein tolles Nest, was du da entdeckt hast! Eine weitere Möglichkeit, die evtl. zu der früheren Aufgabe des Nestes geführt hat, könnte auch sein wettertechnisch bedingt sein. Evtl. waren die Bedingungen im letzten Jahr für die junge Königin im Frühjahr so gut, dass sie schon eher mit der Ablage der Eier für die Arbeiterinnen begonnen hat und somit die gesamte Kolonie sich viel früher etablieren konnte. Dadurch verschiebt sich der gesamte Zyklus etwas nach vorne. Um sicher zu gehen, müsste man aber wohl noch ein paar Berichte darüber lesen 🙂
Aber ein toller Artikel!
Liebe Grüße, Janette
Liebe Janette, vielen Dank für deinen Kommentar. Es ist sehr gut möglich, dass es so war, und im Ausnahmesommer 2018 einfach alles extrem viel schneller ging.
Gruß Helene.
Danke für die Einblicke in die Welt der Wespen
Lieber Klaus, sehr gerne! Ich hoffe, ich kann auch ein Stückchen beitragen zur differenzierten Betrachtung der oft zu unrecht als feindlich und aggressiv wahrgenommenen Wespen.
Gruß Helene.