Fingerhut – prächtig giftig

Ist das nicht ein Pracht? Der majestätische Fingerhut blüht! Bis zu 1,5 m streckt er seine purpurnen Blütenkerzen straff in die Höhe: Herrlich in seiner markanten Farbigkeit, gleichzeitig aber auch wie ein warnender Zeigefinger, der von großer Heilkraft bei gleichzeitig tödlicher Giftigkeit zeugt…

Absolut faszinierend ist bei Fingerhüten allerdings das geniale Zusammenspiel mit ihren Bestäubern, den Hummeln!

Giftiger Fingerhut

Der Fingerhut (Digitalis purpurea) gehört – das muss ich vorwegschicken – zu den tödlichsten Giftpflanzen in unseren Breiten. Gleichzeitig hat er eine lange Geschichte als herzstärkende Heilpflanze. Alle Pflanzenteile sind giftig, und der Grat zwischen heilender und giftiger Dosis ist beim Fingerhut sehr schmal. Trotzdem habe ich die prächtigen Pflanzen immer in meinem Garten geliebt und wachsen lassen.

Die Blütenkerzen der Fingerhüte blühen von unten nach oben auf. Das heißt, die untersten Blüten fangen an, und bis die Blüten in der Spitze blühen, kann es ein paar Wochen dauern. Während sich unten am Blütenstand schon Früchte bilden, blühen weiter oben immer noch Blüten auf, und die einzelne Kerze wird mit zunehmender Blühdauer immer länger.

Digitalis Purpurea, Fingerhut
Einer für alles: Blütenstand trägt unten Früchte, darüber Blüten und in der Spitze noch Knospen

Raffinierte Rachenblüten

blüte Fingerhut, digitalis
Ein tiefer Blick in den Rachen des Fingerhuts

Nun wollen wir uns mal die Fingerhut-Blüten ganz genau ansehen: Wir sprechen von einem traubigen Blütenstand, dessen zahlreiche Einzelblüten alle in eine Richtung, nämlich dem Licht zugewandt, hängen. Die ursprünglich 5 Blütenblätter sind zu einem 5-6 cm langen, zweilappigen (namengebenden…) Fingerhut verwachsen. Solche Blüten nennt man auch Rachenblüten.

Schaut ihr einer solchen Blüte ganz tief in den Rachen (Foto re.), dann erkennt ihr zweierlei:

  1. der Zugang ist eigentlich durch senkrecht stehende Härchen versperrt
  2. die Staubgefäße liegen ganz eng an die obere Wand gepresst.

Durch diese Sperr-Haare verhindert die Pflanze, dass allzu kleine Insekten den Nektar aus der Tiefe holen. Wer sich von dieser Sperre so gar nicht aufhalten lässt, sind Hummeln. Diese sind aber (ganz im Sinne des Fingerhuts) so groß, dass sie beim Krabbeln in die Blüte mit dem Rücken glatt bis an die Decke reichen. Und dort warten – zur zwanglosen Mitnahme bereit – praktischerweise die Pollen in den oben erwähnten Staubgefäßen.

Das gleiche Prinzip finden wir übrigens in den Lippenblüten der Taubnesseln, vielleicht erinnert ihr euch.

Bestäubung durch Hummeln für Fortgeschrittene

Rachenblüte, Fingerhut
Blüten in männlicher Phase (li.) und weiblicher (re.)

In der Natur ist es ja in der Regel so, dass auch Pflanzen eine Durchmischung des Erbguts anstreben. Fingerhüte sichern die Fremdbestäubung auf besonders geniale Art und Weise: Die Blüten blühen nämlich erst männlich und danach weiblich! Das bedeutet, bei einer frisch aufblühenden Fingerhutblüte erkennt ihr deutlich die dicken gelben Staubgefäße oben „an der Decke“ (li.). Bei einer schon länger blühenden Fingerhutblüte sind die Staubgefäße klein und bräunlich, wärend sich dazwischen zwei Narben deutlich nach vorne spitzen (re.).

Und jetzt kommt der Kniff: Beobachtet mal Hummeln an Fingerhüten. Hummeln beginnen IMMER bei den untersten Blüten und arbeiten sich dann zu den höher gelegenen vor. Was passiert also? Die Hummel hat sich am ersten Fingerhut bis in die oberste offene Blüte gewuselt, die gerade in der männlichen Phase blüht. Sie hat nun ordentlich Pollen im Pelz. Jetzt fliegt sie zum nächsten Fingerhut, und zwängt sich in die unterste Blüte, die sich schon in der weiblichen Phase befindet. Während die Hummel lecker Nektar saugt, streift sie den Pollen des ersten Fingerhuts an den Narben des zweiten ab. Wie genial ist das denn?!

Kommt, jetzt schauen wir mal eine Hummel beim Bestäuben zu. Achtet darauf: immer von unten nach oben.

Gefahr im Verzug im Fingerhut

Als ich heute so zwischen meinen ganzen Fingerhüten saß und die Hummeln beobachtete, entdeckte ich auch noch einen anderen Blütenbesucher. Den will ich euch nicht vorenthalten: Es ist eine Krabbenspinne, die auf Beute lauert.

Normalerweise kann sie sich farblich etwas besser tarnen… purpur hat sie wohl nicht im Angebot.

Krabbenspinne im Fingerhut
Gefahr im Verzug im Fingerhut

4 thoughts on “Fingerhut – prächtig giftig”

  1. Ich habe mir vor zwei Tagen auch Fingerglhut auf den Balkon gestellt. Ebenso Rot und Weißklee. Der Klee wir gut besucht, aber der Fingerhut steht einsam da rum. Wie kommt das? LG ?

    1. Wer besucht den Klee? Bienen oder auch Hummeln? Und in welchem Stock ist der Balkon? Irgendwie glaube ich nämlich, dass Hummeln einfach nicht so weit nach oben fliegen, aber sie sind die Hauptpbestäuber der Fingerhüte. Könnte es so zusammenhängen?
      Herzlicher Gruß, Helene

  2. Dein Fingerhut ist wirklich eine Pracht! Ich mag ihn auch sehr gerne und habe den fleißigen Hummeln an seinen Blüten zugeschaut. Jetzt weiß ich endlich, wozu die Härchen da sind. Den Bestäubungsmechanismus hast du total schön anschaulich erklärt. Und so tolle Fotos dazu!

    Liebe Grüße,
    Mirjam

    1. Danke, Mirjam! So langsam hat der Fingerhut jetzt seine dekorative Höhe überschritten, aber die Hummeln fliegen immer noch. Grüße!

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