Im Wald und am Wegesrand bilden die Taubnesseln um diese Zeit dichte Teppiche. Es gibt diese Teppiche in Weiß, in Gelb und in Purpurrot, denn die Gattung Lamium umfasst mehrere Arten. Ich will euch hier vier Arten vorstellen und erkläre auch, warum meine Kinder genau so auf Taubnesseln fliegen wie Hummeln und Bienen.
Auf dem Bild oben erkennt ihr die Weiße Taubnessel (Lamium album), die Goldnessel (Lamiastum galeobdolon), die Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum) und die kleinere Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum) (v.l.n.r.).
Quadratischer Stiel und Lippenblüten
Ihr merkt es sofort, wenn ihr eine Taubnessel anfasst (um nicht zu sagen pflückt…): Der Stengel ist eckig. Genauer gesagt ist er im Querschnitt sogar quadratisch. Dass die Pflanzen irgendwie so „ordentlich“ wirken, liegt an der Stellung der Laubblätter am Stengel. Jeweils 2 Blätter stehen einander exakt gegenüber. Das nächste Pärchen sitzt dann um 90 Grad versetzt eine Etage höher am quadratischen Stengel. Der Fachausdruck für diese Blattstellung ist kreuzgegenständig (Bild rechts).
Diese Blattstellung haben alle Taubnessel-Arten ebenso gemeinsam wie den Blütenaufbau, denn es handelt sich um klassische Lippenblütler.
Bei Lippenblütlern sind 2 Blütenblätter zu einer „Oberlippe“ verwachsen, während 3 andere Blütenblätter zusammen die mehr oder weniger zipfelige „Unterlippe“ bilden. Tja und wo sind die Staubblätter und Narben in diesen Blüten? Sie sind etwas versteckt, aber selbstverständlich gibt es sie auch hier, denn jede Blüte dient ja eigentlich nur der Präsentation von Staubgefäßen und Narben. Ihr seht sie, wenn ihr einen Blick von unten in die Blüte hinein werft: Ganz eng von innen an die Oberlippe geschmiegt, liegen dicht nebeneinander 4 Staubblätter (Bild links).
Da ich für euch eine Lippenblüte der Weißen Taubnessel auseinanderpräpariert habe, erkennt ihr mitten zwischen den Staubblättern noch die beiden Zipfel der Narben (u l. und r.).
Taubnesseln als Nektarspender
Normalerweise kennt man es ja so, dass die Insekten Nektar saugen und dabei ganz nebenbei die Blüte bestäuben. Nun haben wir hier bei den Lippenblütlern aber den Fall, dass die Staubgefäße und Narben ganz oben „an die Decke“ gequetscht sind, während der Nektar ganz tief unten am Grund der verwachsenen Röhrenblüte sitzt. Aber auch hier hat sich die Natur wieder einmal etwas sehr Geniales einfallen lassen: Denn gerade weil der Nektar so tief unten sitzt und die Bienen und Hummel sich weit nach unten zwängen müssen, funktioniert das so gut. Überlegt mal: Wenn der Kopf ganz tief unten in der Röhre steckt, wo befindet sich dann wohl der pelzige Leib der Hummel? Na? Ist das nicht Klasse? Ziemlich ausgefuchst, die Taubnesseln!
Meine Kinder lieben den Taubnessel-Nektar übrigens auch. Sie gehen aber im wahrsten Sinne des Wortes anders an die Sache heran, sie saugen nämlich von unten an den abgezupften Blüten, um an den süßen Tropfen zu gelangen. Ich empfehle die Kostprobe allerdings ausdrücklich nur, wenn die Taubnesseln ganz sicher weit entfernt von jeder Hunde-Gassi-Strecke wachsen…
So. Da ich ja keine Mühen scheue, euch die Dinge, von denen ich schreibe, möglichst nahe zu bringen, habe ich mich heute noch für euch buchstäblich in die Nesseln gesetzt. Kommt mit mir in die Taubnesselwiese und schaut den Hummeln und Bienen beim Nektarsammeln und Blütenbestäuben zu. Köpfchen in den Trichter, Schwänzchen in die Höh… oder so.
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